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4. Dezember 2025

Berlin verabschiedet Polizeigesetz, das fundamentale Rechte aushebelt

Mit der Novelle des Berliner Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) verabschiedet die Koalition aus CDU und SPD ein Regelwerk, das tief in die Grundrechte der Bevölkerung eingreift. Unter dem Vorwand moderner Gefahrenabwehr schafft das Gesetz eine Infrastruktur für präventive Massenüberwachung, die in zentralen Punkten verfassungs- und datenschutzrechtliche Grenzen überschreitet.

Entgrenzte Überwachung

Die neuen Befugnisse erlauben flächendeckende Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen, in Verkehrsräumen und an sogenannten „kriminalitätsbelasteten Orten“ (§§ 24, 24a ASOG). Hinzu kommt die Möglichkeit, biometrische Verfahren einzusetzen, darunter Gesichtserkennung mittels öffentlich zugänglicher Bildquellen (§ 28a ASOG). Solche Systeme richten sich nicht gegen Verdächtige, sondern erfassen systematisch die Bewegungen Unbeteiligter und verletzen damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).

Besonders gravierend ist, dass die Daten nicht nur zur Gefahrenabwehr erhoben werden dürfen, sondern weiterverarbeitet, zusammengeführt und sogar zum Training von KI-Systemen genutzt werden können (§§ 42d, 47a ASOG). Damit wird das zentrale Prinzip der Zweckbindung aus Art. 5 DSGVO unterlaufen: Daten, die für eine konkrete Lage erhoben wurden, werden zu allgemeinen Analysemitteln staatlicher Behörden. Auch die verlängerten Speicherfristen widersprechen der datenschutzrechtlich geforderten Speicherbegrenzung.

Abgesenkte Eingriffsschwellen

Die Novelle ersetzt klare Verdachtsschwellen durch vage Formeln wie „tatsächliche Anhaltspunkte“ oder einen „überschaubaren Zeitraum“ (§§ 18, 25a ASOG). Damit ermöglicht sie schwerwiegende Eingriffe — etwa Online-Durchsuchungen und verdeckte Überwachung — ohne konkreten Verdacht. Ein solches System generalpräventiver Überwachung ist mit dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot unvereinbar (Art. 20 Abs. 3 GG).

Auch die Versammlungs- und Religionsfreiheit geraten unter Druck (Art. 8 und Art. 4 GG). Wer politische oder religiöse Veranstaltungen besucht, muss künftig damit rechnen, biometrisch erfasst und analysiert zu werden. Das wirkt einschüchternd und verletzt den Schutzbereich dieser Rechte.

Schwache Kontrolle, starke Exekutive

Der Datenfluss über Behörden- und Landesgrenzen hinweg wird erheblich ausgeweitet (§ 44b ASOG), ohne dass klare Kontrollmechanismen oder wirksame Beschränkungen vorgesehen sind. Die parlamentarische Kontrolle bleibt hinter der wachsenden Eingriffsintensität zurück, während die Polizei durch neue Verordnungsermächtigungen zusätzliche Befugnisse erhält.

Ein gefährlicher Kurswechsel

Das neue ASOG ist kein Modernisierungsgesetz, sondern ein Angriff auf rechtsstaatliche Grundprinzipien. Es verwischt Zweckbindungen, senkt Eingriffsschwellen, institutionalisiert biometrische Massenerfassung und schwächt Freiheitsrechte auf lange Sicht. Unter dem Vorwand Sicherheit entsteht ein dauerhafter Überwachungsstaat.

 

Linkliste relevanter Gesetze

Gesetz zur Reform des Berliner Polizei- und Ordnungsrechts
https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen//vorgang/d19-2786.pdf


Grundgesetz (GG) – betroffene Grundrechte

EU-Grundrechtecharta

  • EU-Charta der Grundrechte (Volltext)
    https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:12012P/TXT
    (Relevante Artikel im Kontext des Artikels:
    Art. 7 – Achtung des Privatlebens,
    Art. 8 – Schutz personenbezogener Daten,
    Art. 10 – Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.)

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

  • Art. 5 DSGVO – Grundsätze (Zweckbindung, Datenminimierung, Speicherbegrenzung)
    https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2016/679/oj
  • Art. 6–10 DSGVO – Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, besondere Kategorien
  • Art. 25 DSGVO – Datenschutz durch Technikgestaltung
  • Art. 35 DSGVO – Datenschutz-Folgenabschätzung

Berliner Landesrecht

  • Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin (ASOG) – aktuelle Grundfassung
    https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-ASOGBErahmen

Polizeirecht & Strafverfolgungsbefugnisse

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